Dienstag, 12. Juni 2018

Nichts passiert ohne Grund (Teil V)


Man sagt ja, „manche Menschen im Leben sind entweder ein Geschenk, eine Erfahrung oder eine Bestrafung“ für die Entwicklung eines Selbst, in jedem dieser Fälle, ein nicht zu verachtender Meilenstein des Lebens. Genauso verhält es sich mit gewissen Entscheidungen im Leben vor die man gestellt oder Dingen mit denen man konfrontiert wird. Im ersten Moment erscheint es einem vielleicht unfair, versteht nicht warum es gerade nicht so läuft oder ist frustriert, weil sich gar nichts bewegt.

Bis zu den Tagen als ich meiner Freundin quasi beim Sterben zusehen musste, schien mir die Sonne aus dem A... . Alles lief immer wie am Schnürchen, ob Schulabschluss, Führerschein oder Ausbildung. Die Wegpunkte für meine Zukunft ergaben sich wie von selbst und ich kannte kein Leid, Trauer oder Schmerz. Während dieser ganzen Zeit sagte meine Freundin immer wieder zu mir: „Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wer wäre ich, wenn ich meine Situation über die der Anderen Stelle, denn jeder empfindet sein Leid in seinem Moment als schlimm und dafür habe ich Verständnis.“ Dennoch wollte ich nicht wegen Kopfschmerzen vor ihr jammern und hatte auch nicht die Empathie dafür, im Vergleich zu ihr, jemand anderem das Jammern zu gestatten, denn keinem ging es so schlecht wie ihr! Ich war rücksichtlos und das war ich auch noch nach ihrem Tod.

Einige Jahre später erhielt ich dafür meinen „Denkzettel“ und erinnerte mich wieder lebhaft an ihre Worte. Meine Multiple Sklerose outete sich und wir verstanden uns am Anfang nicht wirklich gut. Ich wollte sie nicht und dachte mir, wenn ich sie nur lang genug ignoriere geht sie wieder weg. Aber das hat schon damals im Kindergarten mit dem einen blöden Kind, das jeder kennt, nicht funktioniert und auch nicht bei ihr. Die folgenden sechs Monate quälte ich mich dann mehr oder weniger selbst mit Sehnerventzündungen und Cortison mit der Einstellung „Wenn ich nur alle paar Wochen eine Sehnerventzündung habe, die geht mit Cortison weg, dann komm ich damit ja gut klar“. Wie sehr ich mich damit getäuscht hatte!

Mein Päckchen trug ich still und heimlich, es sollte keiner mitbekommen und meine resolute Art ging damit verloren, denn ich wurde demütiger. Es gab dann diese eine Dienstreise, die kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn ich hatte diesmal auf beiden Augen eine Entzündung und sah nur grobe Umrisse, keine Farben als würde ich durch ein Milchglas schauen. Auf Dienstreise war ich allein unterwegs, aber täuschen und tarnen war mir nicht fremd und ich schlug mich ganz gut durch. Die Menschen, denen ich unterwegs begegnete kannte ich nicht und ich würde ihnen wahrscheinlich nicht nochmal begegnen, also habe ich mich ganz gut durchgefragt oder bin am Flughafen einfach der Menge hinterhergelaufen zum Bagage Claim zum Beispiel. Meine Termine stand ich auch gut durch, bildete mir ein, man hat mir nichts angemerkt. 

Auf der Rückreise am Flughafen, ich saß bereits im Flugzeug, war dann einer dieser Momente da, die könnte man als Zufall bezeichnen, wenn man an Zufälle glaubt – ich nicht. Unser Flugzeug rollte von der Startbahn wieder auf ein Nebenrollfeld, wir konnten nicht starten, denn das Hilfstriebwerk meldete eine Störung. Nein, es war nicht die Gefahr eines Absturzes, so dramatisch war es dann nicht. In diesen Situationen hat man ja auch mal Zeit, sich mit seinem Sitznachbarn zu unterhalten und ich staunte nicht schlecht, besser mir rutschte das Herz in die Rose, als er erzählte was er beruflich macht. Er war vertriebsbeauftragter für ein pharmazeutisches Unternehmen aus der Schweiz, dass unter Anderem das gängige Interferon zur MS-Therapie herstellt. Er erzählte mit so viel Feuer von dem Medikament und was es Gutes für die Patienten bewirkt, dass ich wusste was zu tun war. 

Gleich am nächsten Tag sprach ich mit meinem Neurologen, der mir schon vor Monaten diese Therapie vorgeschlagen hatte und begann diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Nichts passiert ohne Grund, kein Mensch begegnet dir einfach so – akzeptiere es!

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