Man sagt ja, „manche Menschen im Leben sind entweder ein
Geschenk, eine Erfahrung oder eine Bestrafung“ für die Entwicklung eines
Selbst, in jedem dieser Fälle, ein nicht zu verachtender Meilenstein des
Lebens. Genauso verhält es sich mit gewissen Entscheidungen im Leben vor die
man gestellt oder Dingen mit denen man konfrontiert wird. Im ersten Moment
erscheint es einem vielleicht unfair, versteht nicht warum es gerade nicht so
läuft oder ist frustriert, weil sich gar nichts bewegt.
Bis zu den Tagen als ich meiner Freundin quasi beim
Sterben zusehen musste, schien mir die Sonne aus dem A... . Alles lief immer
wie am Schnürchen, ob Schulabschluss, Führerschein oder Ausbildung. Die
Wegpunkte für meine Zukunft ergaben sich wie von selbst und ich kannte kein
Leid, Trauer oder Schmerz. Während dieser ganzen Zeit sagte meine Freundin
immer wieder zu mir: „Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wer wäre ich, wenn ich
meine Situation über die der Anderen Stelle, denn jeder empfindet sein Leid in
seinem Moment als schlimm und dafür habe ich Verständnis.“ Dennoch wollte ich
nicht wegen Kopfschmerzen vor ihr jammern und hatte auch nicht die Empathie
dafür, im Vergleich zu ihr, jemand anderem das Jammern zu gestatten, denn
keinem ging es so schlecht wie ihr! Ich war rücksichtlos und das war ich auch
noch nach ihrem Tod.
Einige Jahre später erhielt ich dafür meinen „Denkzettel“
und erinnerte mich wieder lebhaft an ihre Worte. Meine Multiple Sklerose outete
sich und wir verstanden uns am Anfang nicht wirklich gut. Ich wollte sie nicht
und dachte mir, wenn ich sie nur lang genug ignoriere geht sie wieder weg. Aber
das hat schon damals im Kindergarten mit dem einen blöden Kind, das jeder
kennt, nicht funktioniert und auch nicht bei ihr. Die folgenden sechs Monate
quälte ich mich dann mehr oder weniger selbst mit Sehnerventzündungen und
Cortison mit der Einstellung „Wenn ich nur alle paar Wochen eine
Sehnerventzündung habe, die geht mit Cortison weg, dann komm ich damit ja gut
klar“. Wie sehr ich mich damit getäuscht hatte!
Mein Päckchen trug ich still und heimlich, es sollte
keiner mitbekommen und meine resolute Art ging damit verloren, denn ich wurde
demütiger. Es gab dann diese eine Dienstreise, die kam zu einem denkbar
ungünstigen Zeitpunkt, denn ich hatte diesmal auf beiden Augen eine Entzündung und
sah nur grobe Umrisse, keine Farben als würde ich durch ein Milchglas schauen.
Auf Dienstreise war ich allein unterwegs, aber täuschen und tarnen war mir
nicht fremd und ich schlug mich ganz gut durch. Die Menschen, denen ich
unterwegs begegnete kannte ich nicht und ich würde ihnen wahrscheinlich nicht
nochmal begegnen, also habe ich mich ganz gut durchgefragt oder bin am
Flughafen einfach der Menge hinterhergelaufen zum Bagage Claim zum Beispiel.
Meine Termine stand ich auch gut durch, bildete mir ein, man hat mir nichts
angemerkt.
Auf der Rückreise am Flughafen, ich saß bereits im
Flugzeug, war dann einer dieser Momente da, die könnte man als Zufall
bezeichnen, wenn man an Zufälle glaubt – ich nicht. Unser Flugzeug rollte von
der Startbahn wieder auf ein Nebenrollfeld, wir konnten nicht starten, denn das
Hilfstriebwerk meldete eine Störung. Nein, es war nicht die Gefahr eines
Absturzes, so dramatisch war es dann nicht. In diesen Situationen hat man ja
auch mal Zeit, sich mit seinem Sitznachbarn zu unterhalten und ich staunte
nicht schlecht, besser mir rutschte das Herz in die Rose, als er erzählte was
er beruflich macht. Er war vertriebsbeauftragter für ein pharmazeutisches
Unternehmen aus der Schweiz, dass unter Anderem das gängige Interferon zur
MS-Therapie herstellt. Er erzählte mit so viel Feuer von dem Medikament und was
es Gutes für die Patienten bewirkt, dass ich wusste was zu tun war.
Gleich am
nächsten Tag sprach ich mit meinem Neurologen, der mir schon vor Monaten diese
Therapie vorgeschlagen hatte und begann diese zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Nichts passiert ohne Grund, kein Mensch begegnet dir einfach so – akzeptiere
es!
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