Montag, 19. November 2018

Träume sind zum …


…fliegen da, eindeutig zum Fliegen. Allerdings nicht zu hoch, bin nicht schwindelfrei. Es hat auch viele Jahre gedauert aber, wenn man erstmal gelernt hat, seine Träume zu steuern, dann macht das richtig Spaß. So viele Möglichkeiten ergeben sich dadurch und lassen einen die Alternative zum richtigen Leben erfahren. Man kann alles sein und tun, was man sich im richtigen Leben nicht traut oder einfach nicht in der Lage ist zu tun. Ich kann gar nicht sagen, welche Träume mir die Liebsten sind, denn es gibt so viele. Jedoch bin ich in keinem davon krank und die ersten drei Sekunden nach dem Aufwachen bin ich es auch nicht – dann steh ich auf.

Meine Träume oder Wünsche an die Zukunft drehen sich nicht mehr darum, was ich alles noch erreichen möchte. Es sind vielmehr Fragen, was werde ich noch tun können und vor allem wie? Damit setzt sich wohl niemand gern auseinander, aber es prasselt einfach so auf einen ein und es geht so schnell, dass man bei dem Tempo gar nicht mehr richtig hinterherkommt. Daher freust du dich auf jeden Traum, in dem alles anders ist.
Die Träume, die dir die Alternative zu deinem Leben zeigen, in denen du eine andere Entscheidung in bestimmten Situationen getroffen hast, können dir helfen zu reflektieren. Findest du die Alternative besser, lern was draus. Findest du die Alternative bescheiden, fühl dich bestätigt. Aber egal was die Alternative für dich ist, bereuen solltest du nie! Der Zeitpunkt der Entscheidung kommt nicht wieder und du kannst ohnehin nichts rückgängig machen, lerne mit der Konsequenz umzugehen. Leichter gesagt, als getan.

Hätte ich mich vor bald zwanzig Jahren nicht dazu entschieden, mich Grippeschutzimpfen zu lassen und dadurch diese hochgradige Immunreaktion meines Körpers ausgelöst, wäre ich dann noch gesund? Diese Entscheidung ist mit Abstand die Einzige in meinem Leben, die mich wirklich umtreibt. Alle anderen waren Erfahrungen, um die ich auch in gewisser Weise dankbar bin, die mich ausmachen. Aber diese eine Sache, die mich nicht nur in der Vergangenheit beeinflusst hat und meine Zukunft beeinflussen wird, lässt mich nicht aus ihren Krallen.
Da hilft es mir auch nicht wirklich mich daran zu erinnern, wie ich als Sechsjährige, aufgrund meiner Hüftdysplasie in der Kinderklinik, meiner Mutter erzählt habe: „Mama, ich will auch so einen tollen roten Rollstuhl haben, wie das Mädchen dort drüben. Irgendwann werde ich auch so einen haben.“ Auch wusste ich als Neunjährige bereits, dass MS nicht für Muskelschwund, sondern für Multiple Sklerose steht und war stolz drauf, weil ich so schlau war. Ahnte ich als Kind schon was auf mich zu kommt und es war mir nur nicht bewusst? Hat diese eine Entscheidung dann überhaupt noch eine Rolle gespielt?

Es hätte nichts geändert, rede ich mir ein. Ich sollte wohl auch lieber an meine frühkindlichen medialen Fähigkeiten glauben, als irgendeine Entscheidung zu bereuen und träume weiter davon, einen Sechser im Lotto zu haben oder Geheimagentin mit besonderen Fähigkeiten zu sein. 
Träume um zu Fliegen, lebe um zu Träumen wie es sein könnte. Wenn du dann mit deiner Träumerei fertig bist, steh auf, schüttle das Sandmännchen ab und tu was dafür um zumindest die kleinen Träume zu leben.

Dienstag, 6. November 2018

Gedankensalat


Die letzten Tage waren anstrengend für mich, es gab viel nachzudenken, über mich selbst zu erfahren und zu reflektieren. Der Besuch meines Orakel-Babys am Wochenende hat mir sehr gut getan. Sie ist so unbeschwert und neugierig auf alles, was sich greifen oder lernen lässt. Da wird man schon ein bisschen neidisch, wenn man bedenkt, womit man sich als Erwachsener rumschlagen muss… ein Wildunfall ist dagegen wohl eher eine Kleinigkeit. War aber tatsächlich für mich ein Moment, inne zu halten und viel zu viel nachzudenken.

Der Unfall hat mich etwas außer Gefecht gesetzt, nach einer Woche bin ich nun wieder in der Arbeit und froh drum, denn die Auszeit war definitiv zu lang. Habe zwar noch ein wenig Schmerzen, aber das kommt vom Sitzen, das wird der Physiotherapeut richten. Naiver weise bin ich ja schon bissel froh, dass ich die Rückenmuskeln spüre, das heißt nämlich, ich habe welche. Immer das Positive sehen.
Die Tage der Auszeit habe ich auch dafür genutzt, meine gesundheitlichen Möglichkeiten zu überdenken. Unterstützung durch die Rentenversicherung bei der Rehabilitation, dazu gehört auch der behindertengerechte Umbau des Autos, sollte es erforderlich sein. Eine Orthopädische Unterstützung, welche sich Orthese nennt, damit meine Fußhebeschwäche kompensiert werden kann, konnte ich ebenfalls ausfindig machen. Vielleicht könnte ich damit einfach mal wieder unbeschwert über einen Flohmarkt schlendern. Bin auch öfter spazieren gegangen, nicht lang oder weit, aber ein bisschen. Dafür brauch ich zwar bereits einen Gehstock, aber immerhin weiß ich jetzt eine kurze Strecke, die ich gehen kann ohne Totalausfälle des rechten Beins. Zumindest schaffe ich es wieder bis nach Hause, ehe es soweit kommt. Dann brauch ich erstmal eine gute Pause.
In diesem Zusammenhang hatte ich dann auch den Anflug, ich bräuchte ein anderes Auto. Weg von meinem geliebten BMW, hin zu einem Mittelklasse-SUV, damit ich höher einsteigen kann usw. Der Leihwagen war schuld, denn das war so ein Auto.
Dieses Gefühl oder der Gedanke daran, war für mich aber tatsächlich keine gute Idee. Innerlich war ich sehr aufgewühlt deswegen, denn ich empfinde es doch irgendwie als Resignation, wenn ich mir das nun auch noch von meiner Krankheit nehmen lassen würde, die freie Wahl. Dachte aber, es wäre vernünftiger und hatte deshalb auch schon alles im Kopf durchgespielt. Doch heute kam mein Auto aus der Werkstatt und ich war so glücklich. Die ganzen schlechten Gefühle waren weg, ich fuhr mit ihm in die Arbeit und wusste genau, was ich tun werde: `Scheiß auf die Krankheit, ich behalt mein Auto`.

Was ich auch noch erzählen wollte, eine wirklich süße Geschichte. Nach dem Unfall war ich ja äußerst enttäuscht über unsere Gesellschaft, da viele einfach nicht mehr auf andere achten. So wurde ich ein paar Tage später im Gegenzug positiv überrascht und ich bin richtig froh darüber, dass ich das erleben durfte.
Ich habe ja schon von diesem kleinen Mädchen erzählt, dem ich beim Einkaufen ein Mädchen-Kinder-Heft spendiert habe (Entscheidung I). Kann mich noch wie gestern an ihr Strahlen erinnern und an ihre Mutter – zauberhaft. Auf jeden Fall war ich in den Tagen der Auszeit mal wieder in diesem Laden, bei uns im Ort, einkaufen und stand gerade an der Kasse. Da waren zwei Jungen, vielleicht elf oder zwölf, voll im Herbstferienmodus und haben ein paar typische Kleinigkeiten einkaufen wollen, was zum Trinken und zum Essen/Naschen. Beim Kassieren stellten die Kinder dann fest, sie hatten nicht genug Geld dabei und die Kassiererin fragte die Jungs dann, auf was sie denn verzichten konnten. Sie sahen sich etwas verzweifelt gegenseitig an und wussten grad gar nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Hinter mir stand eine andere Frau, die auch in dem Geschäft arbeitet und privat einkaufen war, und fragte dann, um wieviel es geht.
„57 Cent.“ Sagte die Kassiererin.
„Ach, komm, das schenk ich euch“ kam wie aus der Pistole geschossen. Die Jungs strahlten über beide Ohren und bedankten sich, fragten wie sie ihr das Geld später wiedergeben könnten. „Ist ein Geschenk. Jeden Tag eine gute Tat.“
Genau das war der Satz, den ich damals zu dem Mädchen gesagt habe und ich strahlte über beide Ohren. Ich zollte ihr meinen Respekt und sagte ihr, dass ich das einfach klasse finde.

Das, was man Kindern neiden könnte, die Unbeschwertheit zu Beginn des Lebens – wird durch die Erfahrung aufgewogen, die man Ihnen als Erwachsener weitergeben kann. Ich hoffe wirklich, dass sich unsere Kinder solche Gesten zu eigen machen und diese als Erwachsene ebenfalls weitergeben. Jeden Tag eine gute Tat!

Freitag, 2. November 2018

Ich war es...


Ich habe Bambi getötet. In beinah 20 Jahren seit ich nun Auto fahre, ist es das erste Mal gewesen und ich bin ehrlich schockiert, dass ich so unkontrolliert darauf reagiert habe. Vor allem um das Reh tut es mir von Herzen leid.

Es ist Samstag, ich bin auf dem Weg in die Arbeit und die Stelle an der es passiert ist, ist für Wildwechsel bekannt und ich fahre hier täglich. Besonders bei nebeligen und regnerischen Wetter ist die Gefahr eines Wildwechsels groß, daher fahr ich hier auch äußerst gewissenhaft. Aber weder das Reh noch ich hatten eine Chance, den Zusammenstoß zu verhindern. Mir blieb nur eins, Lenkrad festhalten und voll in die Eisen steigen. Alles andere wäre keine Alternative für den herannahenden Gegenverkehr gewesen. Dann der Aufprall und das Reh schleuderte einige Meter durch die Luft, während ich schon stand und nur hinterher sehen konnte. Als das Reh auf dem Boden lag, kam auch schon der Gegenverkehr. Der Fahrer bremste zunächst und rumpelte aber dann doch mit seinem SUV über das Reh hinweg. Ich sah regelrecht, wie das Genick brach. 

Als ich an die Seite fuhr mit Warnblicklicht an, rechnete ich eigentlich damit, dass gleich jemand zu mir kommen würde, um sich zu erkundigen ob bei mir alles okay ist – aber niemand kam. Der SUV Fahrer fuhr einfach weiter und die Autos, die nachfolgten umfuhren das Reh und setzten ihre Fahrt ungestört fort. Ich saß dann erstmal da, atmete und heulte vor lauter Schreck und weil mir das Reh so leidtat, dann wählte ich den Notruf. 

Respekt für den Herrn an der Line, der mich trotz meines Schluchzens ganz gut verstand. Er stellte mich dann an die örtliche Polizei durch. Währenddessen kam von oben durch den Wald eine ältere Dame, sie hielt an und kam gleich zu mir – Erleichterung machte sich in mir breit, ´es gibt doch noch hilfsbereite Menschen´. Aber ich konnte abwinken, hatte ja jetzt Hilfe am Telefon.

Der Polizist fragte mich, ob bei mir alles okay und wo das Auto beschädigt ist. *Heulschluchz* „Alles gut. Auto hat es vorn erwischt, bin noch nicht ausgestiegen.“ Musste erstmal den Schrecken verdauen. Er holte sich die Infos, die er von mir brauchte und erklärte mir, dass ich mir den Wisch für die Versicherung an der nächsten Polizeidienststelle abholen kann. Wir vereinbarten, dass ich das Reh zur Seite räume, er verständigt den Jäger und ich kann weiterfahren. Einfacher gesagt, als getan – mir schlotterten die Knie und brach immer wieder in Tränen aus.

Als ich ausstieg kümmerte ich mich zuerst um das Reh. Es hatte wohl nur innerliche Verletzungen, denn es war nirgends Blut zu sehen und es muss sofort tot gewesen sein. Die Augen waren offen, blutunterlaufen und jung. Es war noch klein, höchstens so groß wie ein Golden Retriever. Ich packte es am Bein und zog es an den Fahrbahnrand, so damit es der Jäger schnell finden konnte, es war ein Feldweg daneben. Es schüttete in Strömen, aber das bekam ich gar nicht mehr mit. Dann sah ich mir mein Auto an und konnte nicht glauben, dass so ein kleines Reh so viel Schaden anrichten kann. Ich sammelte meine Autoteile von der Straße ein, warf alles in den Kofferraum, setzte mich wieder ins Auto und heulte erst mal wieder drauf los. So konnte ich nicht in die Arbeit fahren und ich drehte über den Feldweg um. Ich war mir noch nicht sicher wo ich hinwollte, erstmal von der Straße runter und Zweihundertmeter später auf einen Parkplatz.

In meinem Kopf kreisten die Gedanken, vor allem auch deshalb, da ich nicht verstand warum mich so etwas so dermaßen fertigmacht. Dann rief ich in der Arbeit an und gab Bescheid, dass ich nicht kommen werde. Respekt auch an diesen Kollegen, dass er mich trotz der Heulerei verstanden hat. Zunächst dachte ich, ich könne vielleicht einfach später kommen, nachdem ich bei der Polizei und in der Werkstatt war, aber ich war völlig durcheinander. Wir entschieden also, ich komme erstmal nicht, kümmere mich um das organisatorische und beruhige mich.

Als ich wieder auf dem Heimweg war, nachdem ich mit Polizei und Werkstatt fertig war, merkte ich wie die Anspannung nachließ und ich bekam Kopf- und Rückenschmerzen. Bin wohl tatsächlich etwas lädiert, durch den Schock habe ich es zunächst nicht wahrgenommen. Hab mich wohl etwas verrissen beim Wildunfall. Das bestätigte am Montag auch der Arzt im Krankenhaus, wohin ich aufgrund des Wegeunfalls und der Schmerzen zwangsläufig gehen musste. Starke Muskelzerrung – Schmerzmittel, Warmhalten und vor allem Ruhe geben.

Man kann mich jetzt für verrückt halten und belächeln, aber ich hatte bereits seit Wochen das Gefühl, dass es einen Unfall geben wird. Wusste nicht, was es sein wird. Wildunfall war jedoch auf Platz Eins meiner Schätzung. Rückblickend betrachtet, bin ich froh, dass es nur ein kleines Reh war. Ein Hirsch oder ein Unfall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer hätte böse ausgehen können. Schade nur, dass es bei uns nicht so ist wie in den USA, bei denen das Fleisch eines Wilds bei Unfall an Bedürftige gespendet wird. 

Trotz all dem, bin ich überzeugt davon, dass es irgendeinen Sinn haben musste - das finde ich wohl gerade heraus...