Samstag, 8. September 2018

Der erste Schritt, ´Fahr vorsichtig`


… raus aus der Schei… ist getan. Mein Fitnessgerät ist eingetroffen und jetzt heißt tagtäglich drauf und immer wieder steigern. Alle Rahmenbedingungen sind erfüllt, ich kann mich nicht mehr rausreden. Auch mein Plan, gewisse Tabletten abzusetzen – ich nenne sie liebevoll ´Vogelfutter´ - entwickelt sich derzeit gut und ich werde darum kämpfen, diesen Mist los zu werden. Allerdings ´cheate´ ich dabei etwas, denn ich habe mir Magiesteine dazu geholt. Aber auch wenn das alles nur Einbildung wäre, es könne mir helfen, spielt es keine Rolle, denn ich fühle mich gut damit und irgendwas haben sie bereits ausgelöst…

Gestern war ein seltsamer Tag, er fing schon irgendwie seltsam an, das geht schon die ganze Woche so. Ständig begegne ich irgendwelchen Tieren auf dem Weg in die Arbeit oder nach Hause. Ja klar fahr ich mit dem Auto durch die Welt und da leben nun einmal auch Tiere, aber so gehäuft sind sie mir noch nie untergekommen. Wir sahen uns auch stets in die Augen, ob es nun ein Fuchs, eine Katze oder die drei Rehe waren, die am Waldesrand standen. Ich hatte dann immer das Gefühl, sie ´sahen´ mich und mahnten mich zur Vorsicht beim Fahren. Das wiederum führte dazu, dass ich langsamer als gewöhnlich fuhr und auch mehr Abstand hielt. Wäre sonst vielleicht was passiert? Wenn ja, würde ich an diese Tage zurückdenken, wie ich es schon einmal tat und mir wünschen, ich hätte auf die Zeichen und die Stimme in mir gehört…

Es ist bald vierzehn Jahre her, da gab es diese eine Situation, die mich Lehren gestraft hat und ich mir bis heute Vorwürfe mache, nichts gesagt zu haben. Ich arbeitete damals erst seit Kurzem in einem neuen Team. Da hatten wir noch kleinere Büros und waren höchstens zu Dritt darin beschäftigt, meistens waren wir aber nur zu Zweit. Diese Kollegin war etwas älter und ich mochte sie gern, hatte etwas Mütterliches an sich und mit der Zeit lernten wir uns gut kennen, ebenso auch die Gewohnheiten des Anderen. Dadurch wusste ich auch, dass sie stets mit dem Zug in die Arbeit kommt, da das einfacher praktischer für sie war, quasi von Haustür zu Haustür.
Dann war da dieser eine Tag – in einer Zeit die kurz nach dem Tod meiner Freundin viele Gedanken in mir auslöste und von diversen Begebenheiten hatte ich ja bereits berichtet. Meiner Kollegin hatte ich die ein oder andere Geschichte dazu auch erzählt, aber es gruselte ihr eher davor und sie belächelte es auch irgendwie. Deshalb vermied ich es dann auch diesbezüglich mehr zu erzählen.
Es ging auf den Feierabend zu, meine Kollegin arbeitete kürzer als ich und wir waren gerade dabei uns die letzten Worte zum Tag auszutauschen, als es mir ´einschoss´: `Sei vorsichtig beim Autofahren, pass auf dich auf´. Ich verwarf den Gedanken ganz schnell wieder und sagte nichts, denn ich wusste ja, sie fährt doch immer mit dem Zug…
Am nächsten Tag kam ich in die Arbeit und erfuhr das undenkbare. Sie hatte auf dem Weg nach Hause einen sehr schweren Autounfall und sich nicht nur sprichwörtlich jeden Knochen im Leib gebrochen. Sie war an diesem einen Tag ausnahmsweise mit dem Auto in die Arbeit gefahren, denn sie musste etwas erledigen, was nicht mit dem Zug möglich war. Leider weiß ich nicht wie es ihr heute geht, denn sie kam nie wieder in die Arbeit und die Rehabilitation gestaltete sich aufgrund der Schwere der Verletzungen als langwierig. Der Unfall ereignete sich auf einer Bundesstraße und einer Abbiegung, an der ich auch schon oft vorbeigefahren bin. Sie ist quasi frontal mit einem VW-Bus kollidiert, ungebremst. Die Stelle ist an sich gut einsehbar, es war wohl ein Augenblick eines flüchtigen Gedankens und unglücklicher Zufälle. Aber hätte ich es mit diesem einfachen Satz `Fahr vorsichtig…`vielleicht doch verhindert? Das werde ich nie erfahren, dennoch mache ich mir Vorwürfe.

Nun zum Überlegen: Nimmt man in der heutigen Zeit solche Sätze überhaupt noch ernst? Sie sind ja leicht ausgesprochen und man sagt sie auch meistens ganz flüchtig, gehört ja irgendwie zum guten Ton. Seit diesem Tag gehe ich mit diesem Satz nicht mehr leichtfertig um. Das war auch gut so, für einen anderen Arbeitskollegen…
Wir schrieben eine Zeit lang ziemlich oft über WhatsApp – shame on me, auch mal während der Arbeitszeit. Das ist jetzt gut vier Jahre her, da war ich noch Teamleiterin und saß grad in einer Besprechung, als es mir wieder `einschoss`. Zu dem Zeitpunkt hatten wir grad nicht geschrieben, aber ich nahm sofort mein Handy in die Hand und schrieb ihm, er soll doch bitte beim Heimfahren aufpassen und vorsichtig fahren. Ihm hatte ich bereits vorher einmal ein paar Begebenheiten berichtet, er hatte gelächelt. Auch als ich ihm von meinem Credo ´jeden Tag eine gute Tat´ erzählte.
Nach Feierabend als ich Zuhause war, rief er mich an. Er war total aufgeregt und berichtete mir, dass sich auf dem Heimweg ein schlimmer Unfall ereignet hat und hätte er nicht auf mich gehört, hätte es ihn erwischt und – er fuhr das gleiche Auto wie meine Kollegin damals – er hätte das nicht überlebt.
Er hat eine kleine Rennkiste und die fuhr er auch entsprechend. Auf dem Heimweg von der Autobahn runter, geht es eigentlich ziemlich gut geradeaus mit diversen Einmündungen. Die Strecke ist gut befahren, daher kann das dann auch mal dauern, bis man von so einer Einmündung in die Hauptstraße einbiegen kann. Dann stand in so einer Einmündung ein Bus, im Feierabendverkehr schon fast verzweifelt daran, nicht einfahren zu können. Er fuhr langsamer, hielt an und ließ den Bus vor. Seine gute Tat für diesen Tag, die ihm vermutlich das Leben rettete. Vor dem Bus war dann noch eine Mittelklasse Limousine mit einigem mehr an Knautschzone, nach dem Bus kam er und wenige Kilometer später kollidierte die Limousine mit einem entgegenkommenden Auto, das auf die falsche Fahrbahn geriet, warum auch immer. Er hätte diesen Bus locker überholen können, aber meine Worte hallten noch nach `fahr vorsichtig` und er tat es nicht. Der Bus hielt die Folgekollision mit den Autos aus, er hätte es wohl eher nicht überlebt. Der Bus war seine Rettung.

Die Tiere diese Woche, haben mich vielleicht vor Schaden bewahrt, dafür kann ich nur Danke sagen. Wenn ich heute zu jemandem sage `fahr vorsichtig`, hoffe ich inständig, derjenige hört auch auf mich, wer weiß ob er/sie die Tiere/Zeichen sehen würde.

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