Seit ich seit vier Wochen keine Tabletten mehr nehme, um
meinen Vogel oder vielmehr die Panik im Zaun zu halten, gibt es nun zwar keine
Panik mehr, dafür viele Emotionen. Ich habe es vor knapp einer Woche erst so
wirklich wahrgenommen und weiß noch gar nicht so recht, wie ich damit umgehen
soll. Anfangs war es nur ein Lied, eine Erinnerung an eine Situation, die mir
so leidgetan hat.
„See you again“ ein Lied zum Abschied von Vin Diesel für einem
treuen Freund und Mitstreiter aus der Filmserie „The Fast and the Furios“ –
Paul Walker, ein toller Mann, der einen wirklich unsagbar schlimmen Tod
gestorben ist. Beim Abspann seines letzten Films lief dieses Lied. Ich habe Rotz
und Wasser geheult als ich ihn damals im Kino gesehen habe. Dann läuft dieser
Song auf dem Nachhauseweg von der Arbeit im Radio und ich muss an dieses Gefühl
denken, kann mich gar nicht dagegen wehren und weine einfach drauf los. Oder
ich höre von einer herzzerreißenden Geschichte und mir steigen die Tränen in
die Augen. Selbst wenn ich nur etwas lese, das annähernd Gefühlsduselig ist,
löst es in mir sofort wieder Etwas aus. Im Kontrast dazu merke ich seit ein
paar Tagen, wie schnell ich mittlerweile auf hundertachtzig bin. Selbst bei
Kleinigkeiten könnte ich schier ausrasten, mit Dingen um mich werfen und
schimpfen wie ein Rohrspatz (nichts gegen Vögel).
Sensibel war ich nie wirklich, aber ich nehme meine
Umgebung schon immer sehr intensiv wahr, auch die Menschen die mich umgeben. Wenn
mir Geschichten erzählt werden über Verletzungen, Operation o.Ä. braucht es
nicht viel und ich spüre es. Man nennt das Hypersensibilität, hat mir mein
Vogeldoktor gesagt. Dass die Tabletten diese Wahrnehmung oder meine eigenen Emotionen
irgendwie gedämpft haben, war mir auch klar. Aber soll es wirklich jetzt so
sein? Das ist kaum auszuhalten.
Gestern habe ich mich dabei ertappt, wie ich am liebsten
laut geschrien und um mich getreten hätte, weil ich – passt genau auf – im Dunkeln
einen Stecker nicht in eine Steckdose einbringen konnte, anstatt dass ich mir
einfach ein Licht einschalte. Ich musste mich tatsächlich hinsetzen, tief
Durchatmen und mir überlegen ´um was geht es jetzt eigentlich´. Das geht nun
schon die ganze Woche so, auch in der Arbeit! Ich muss mir dann immer ins
Gedächtnis rufen, dass ich nicht alleine bin und jetzt hier keinen Schreikrampf
kriegen kann. Aber ich werde tatsächlich direkter, mehr als sonst – so wie es
vor langer Zeit einmal war. So bin ich doch eigentlich nicht mehr oder kommt
jetzt Ani 2.0 – noch härter, noch verrückter, noch ungenießbarer? Vielleicht
aber einfach nur älter, seltsamer und exzentrischer.
Bei Älteren sagt man doch auch, exzentrisch zu sein ist
das neue Cool und im Alter auch gern als schrullig einzuordnen. Das wäre ja
dann gar nicht so schlimm. Diese ganzen Gefühle überfordern mich teilweise
einfach und ich verzweifle fast an dem Gedanken, ob das jetzt wirklich echt ist
was ich fühle oder ob es von äußeren Einflüssen ausgelöst wird und ich sie
einfach nur wahrnehme, auf mich projiziere. Wenn die erste Reaktion auf so ein
Gefühl mein Gegenüber dann mit einem verbalen Dampfhammer trifft, tut es mir nicht
unbedingt in der nächsten Sekunde sofort wieder leid. Es dauert mittlerweile um
die dreißig Sekunden bis ich tatsächlich überreiß, was gerade passiert.
Ich habe jetzt einige Nächte darüber geschlafen und
nachgedacht. Es ist an der Zeit zu reflektieren, wo ich herkomme, wo ich bin
und wo ich hinwill. Nicht um der Vergangenheit nach zu trauern, sondern stolz
darauf zu sein, was man geschafft hat. Schätzen zu wissen, was man jetzt hat
und mit was es gilt umzugehen. Wieder ein Ziel vor Augen zu haben, auf das man
hinarbeiten, für das man Leben will. Ein neuer Faktor wird mich nun dabei begleiten,
ob ich will oder nicht – ich bin sensibel, mehr als ich vielen Menschen zeige
oder zu zeigen vermag – gib mir dreißig Sekunden Leben, um zu reagieren sonst garantiere ich für Nichts. Mal sehen,
ob mich das weiter bringt.
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